War Jeremy bewusst, dass das Übungen für den Film waren?
Nein, nicht wirklich. Wir haben einfach Situationen nachgespielt, die Helga und Adrian so auch erleben hätten können, ohne dass wir geschauspielert haben. Wir waren zum Beispiel bei mir zuhause und ich habe ihn gefragt, was er essen möchte – Nudeln mit Ketchup. Also habe ich gesagt: „Na gut, aber dann müssen wir zuerst die Pfandflaschen zurückbringen, weil sonst kann ich das Ketchup nicht kaufen“, und das haben wir dann gemacht. Irgendwann haben wir begonnen, uns „Mama“ und „Adrian“ zu nennen. Ab diesem Zeitpunkt war dann wirklich klar, dass wir spielen. Zum Drehbeginn war die Transformation abgeschlossen. Auch in den Drehpausen bin ich während des gesamten Zeitraums fast immer in meiner Rolle „Helga“ geblieben. Ich bin während der ganzen Zeit nicht aus der Rolle „Helga“ hinausgegangen.
Wie ging Jeremys echte Mama damit um?
Das war ganz lustig und entspannt. Jeremy hat immer gesagt, er findet es total praktisch, zwei Mamas zu haben, denn wenn die eine blöd ist geht er zur anderen (lacht). Claudia, seine echte Mama, hat darüber auch gelacht und ich denke, sie hat sich gefreut, dass alles so gut funktioniert.
Bist du abgesehen von der Mutterrolle auch charakterlich immer Helga geblieben?
Ja. Aber Helga ist in vielen Dingen auch wahnsinnig nah an mir selbst dran. Sie ist zwar eine heroinabhängige Mutter, aber die inneren Charakterzügen kenne ich gut. Es waren Kleinigkeiten, die ich in der Zeit beibehalten habe. Zum Beispiel hat Helga einen weniger festen Händedruck. Ich stelle mich außerdem gerne zu einer Gruppe dazu, während Helga lieber alleine stehen bleibt und raucht.
Denkst du, dass die Liebe einer Mutter zu ihrem Kind anders ist, wenn sie Heroin nimmt?
Ich glaube nicht, dass die Liebe anders ist. Aber ich glaube, dass die Beziehung einer Drogenabhängigen zu ihrem Kind sehr stark von Schuldgefühlen geprägt ist. Das hat ein bisschen mit dieser Annahme zu tun, dass die Liebe wohl nicht groß genug sei, um mit den Drogen aufzuhören.
Konntest du diese Schuldgefühle selbst spüren?
Ja, ich habe das bei meinen Recherchen intensiv erlebt und das war dann sogar das Grundgefühl, auf das ich mich konzentriert habe. Da kämpfen zwei Mächte gegeneinander: Die Sucht nach Drogen und die Liebe zum Kind. Immer, wenn die Sucht stärker ist, schämt man sich ganz wahnsinnig, weil man sozusagen zu schwach ist und seine Versprechen nicht halten kann. Dieses ständige Kämpfen ist sehr anstrengend.
Wie hast du für die Rolle recherchiert?
Im Vorfeld habe ich sehr viel gelesen und mich bei Ärzten informiert, um auch den körperlichen Effekt spielen zu können. Ich wollte wissen: Wann habe ich eher einen hohen und wann einen niedrigen Puls? Was passiert mit dem Körper in dem Moment, wo ich drücke? Was passiert, wenn ich zehn Minuten drauf bin und was beim Entzug? Außerdem war ich bei Drogenberatungsstellen und habe mir von Ex-Junkies viel erzählen lassen. Mit diesem Basiswissen bin ich dann einfach in die Szene gegangen.
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Du hast also einfach irgendwelche Menschen angesprochen?
Im Grunde genommen: Ja. Ich bin zum Beispiel zum Salzburger Hauptbahnhof gegangen. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich schon, dass man viel Süßes braucht, wenn man junkt, also habe ich Brownies und süßen Kaffee gekauft. Dann bin ich zu den Leuten hin und habe gesagt: „Hey, ich weiß nicht ob ihr das jetzt total bescheuert findet, aber ich bin Schauspielerin und habe eine Rolle als Heroinsüchtige bekommen.
Das wird ein guter Film und nicht einer, der mit dem Zeigefinger auf die bösen Drogen zeigt. Ich habe selbst überhaupt keine Drogenerfahrung und möchte das gut spielen. Könnt ihr mir dabei helfen?“ Die meisten fanden das einen lässigen Ansatz und haben mit mir geredet, bis genug Vertrauen da war. Das ging so weit, dass mich ein paar zu ihnen nach Hause eingeladen und ihren Freunden vorgestellt haben. Irgendwann bin ich in der Szene relativ frei ein- und ausgegangen. Ich habe einige Wochen in solchen Wohngemeinschaften verbracht und viel zugeschaut. Die Leute haben mir, so blöd das klingt, ganz praktisch den Umgang mit der Droge erklärt.