Verena
Altenberger

Im Interview mit
Rebecca Steinbichler

„Ich kämpfe ständig gegen das grosse Scheitern an“

Verena Altenberger macht keine halben Sachen: Für die Hauptrolle als heroinsüchtige Mutter in Die Beste aller Welten recherchierte sie in der Salzburger Drogenszene und baute über Monate eine intensive Beziehung zu ihrem Filmsohn auf. Als Kontrast dazu spielt die Österreicherin in der RTL-Sitcom Magda macht das schon eine polnische Pflegekraft mit schrillen Outfits und starkem Charakter. Im Interview erzählt Altenberger, was diese beiden Frauenfiguren vereint, warum sie mit Feminismus nicht verschämt umgeht und wie sie ihre Erfolge und Misserfolge verarbeitet.

Fotos: Andrew Rinkhy
Haare/Makeup: Britta Tess
Styling: Simon Winkelmüller
Produktionassistenz: Karin Gruber

In Die Beste aller Welten sagst du als Helga zu deinem Sohn: „Wenn du Abenteurer werden willst, kannst du Abenteurer werden.“ Wäre das ein Satz, den deine Mutter auch zu dir gesagt haben könnte?

Ja, auf jeden Fall. Meine Mama war sehr lapidar. Ich hatte bei ihr einen Vertrauensvorschuss. Wenn ich sie als Kind gefragt hätte, ob ich Schauspielerin werden kann, dann hätte sie wahrscheinlich gesagt: „Jo, wirst scho machen“.

Woher kam dieses Vertrauen? Hast du Geschwister, die sich vor dir gewisse Freiheiten erkämpft haben?

Nein, meine Schwester ist acht Jahre jünger als ich, aber ich war nie ein großes Sorgenkind. Außerdem bin ich relativ ehrgeizig und das war meine Mama auch. Da hat sie bestimmt ihre eigenen Anlagen wiedererkannt. Sie hatte sehr großes Vertrauen in sich selbst und hat sich wahrscheinlich gedacht: „Die Tochter kommt sehr nach mir, also wird’s schon passen!“

Bist du dankbar dafür, dass du dein Leben so gestalten konntest oder hättest du manchmal gerne mehr Widerstand gehabt?

Naja, ich hatte zwar nie Widerstand, aber bei uns zuhause wird auch niemand hochgelobt. Viele meiner Schulfreunde bekamen Geld für gute Noten – das hätte es bei uns nie gegeben. Dafür bin ich meinen Eltern sehr dankbar, denn mein Antrieb kommt nicht von Außen. Wenn ich die Motivation nicht aus mir selbst schöpfen würde, könnte ich meinen Job auf Dauer nicht machen.

Was war denn das Wichtigste, das dir deine Mama beigebracht hat?

Eine starke Frau zu sein.

Inwiefern?

Meine Mama war eine überzeugte Feministin und sie hat mir vermittelt, dass man damit nicht verschämt umgehen muss. Im Gegenteil, man sollte sagen: „Natürlich, was soll ich denn sonst sein?“ Sie hat mir beigebracht, dass es wichtig ist, für seine Rechte einzustehen, ein guter Mensch zu sein und seine Möglichkeiten auszuschöpfen

Momentan wächst die gesellschaftliche Akzeptanz für Feminismus. Noch vor zehn Jahren haben sich nicht so viele Menschen öffentlich dazu bekannt. Wie war das bei dir?

Ich weiß nicht, ob die 19-jährige Verena so offen gesagt hätte: „Klar bin ich Feministin!“ Das hat auch mit Mut zu tun und der ist in den letzten Jahren definitiv gewachsen.

Im echten Leben bist du keine Mama. Wie war es, mit einem Filmsohn zu drehen?

Mein Filmsohn Jeremy war beim Dreh sieben Jahre alt und es war sein erster Film. Um echte Emotionen von einem siebenjährigen Kind zu bekommen, konnten wir fast nur improvisieren. Es gab einen roten Faden und ursprünglich auch ein Drehbuch, das wir jedoch schnell außer Acht gelassen haben. Unser Regisseur Adrian Goiginger hat das von mir auch erwartet. Er wollte keine Schauspielerin, der er Worte in den Mund legt sondern eine, die sich richtig gut vorbereitet und dann ihr eigenes Ding macht. Mit diesem Film portraitiert er ja seine eigene Kindheit und das größte Lob, das er mir geben konnte war: „Genau so hätte es meine Mama auch gesagt.“

Konntest du dir etwas von deiner eigenen Mama abschauen?

Ja. Es gibt diese eine Szene, in der ich am Boden auf dem Bauch liege und Stellenanzeigen durchsehe. Dann kommt mein Sohn von der Schule nach Hause, wir plaudern und ich erkläre ihm, was ich mache. Er zeigt auf eine Anzeige als Rechtsanwältin und ich sage, dass ich das nicht machen kann. Irgendwann fragt er: „Warum kannst du eigentlich nicht alles werden, was du willst?“ In solchen Situationen habe ich mir vorgestellt, was meine Mama darauf geantwortet hätte. Insofern war sie ein Vorbild, an dem ich mich entlang hanteln konnte.

Um ohne Drehbuch eine glaubhafte Mutter-Sohn-Beziehung zu spielen, musstet ihr ein enges Verhältnis zueinander haben. Was, wenn die Chemie zwischen Jeremy und dir nicht gestimmt hätte?

Davor hatte ich ganz zu Beginn auch Angst. Ich habe Adrian immer gefragt: „Was ist, wenn mich das Kind nicht mag?“

Wie war es dann, als Jeremy und du euch zum ersten Mal begegnet seid?

Ich war von Anfang an bei fast allen Kindercastings dabei. Wir haben zwei- oder dreihundert Kinder gecastet und hätten aber eigentlich sehr viel früher aufhören können, denn Jeremy war großartig. Wir haben uns in den nächsten Castingrunden näher kennen gelernt und als Jeremy als Adrian feststand, haben wir uns sehr oft getroffen. Wir hatten bis zum Drehbeginn etwa ein halbes Jahr Zeit und haben mindestens zweimal in der Woche zu zweit Sachen unternommen.

Was zum Beispiel?

Wir waren im Haus der Natur in Salzburg, Fußball spielen oder im Zoo. Nebenbei haben wir aber auch ganz banale Sachen gemacht wie zuhause auf der Couch vor dem Fernseher zu liegen. Er hat meine Familie kennen gelernt und ich seine. Nach und nach haben wir dann angefangen, Situationen im Film nachzustellen.

War Jeremy bewusst, dass das Übungen für den Film waren?

Nein, nicht wirklich. Wir haben einfach Situationen nachgespielt, die Helga und Adrian so auch erleben hätten können, ohne dass wir geschauspielert haben. Wir waren zum Beispiel bei mir zuhause und ich habe ihn gefragt, was er essen möchte – Nudeln mit Ketchup. Also habe ich gesagt: „Na gut, aber dann müssen wir zuerst die Pfandflaschen zurückbringen, weil sonst kann ich das Ketchup nicht kaufen“, und das haben wir dann gemacht. Irgendwann haben wir begonnen, uns „Mama“ und „Adrian“ zu nennen. Ab diesem Zeitpunkt war dann wirklich klar, dass wir spielen. Zum Drehbeginn war die Transformation abgeschlossen. Auch in den Drehpausen bin ich während des gesamten Zeitraums fast immer in meiner Rolle „Helga“ geblieben. Ich bin während der ganzen Zeit nicht aus der Rolle „Helga“ hinausgegangen.

Wie ging Jeremys echte Mama damit um?

Das war ganz lustig und entspannt. Jeremy hat immer gesagt, er findet es total praktisch, zwei Mamas zu haben, denn wenn die eine blöd ist geht er zur anderen (lacht). Claudia, seine echte Mama, hat darüber auch gelacht und ich denke, sie hat sich gefreut, dass alles so gut funktioniert.

Bist du abgesehen von der Mutterrolle auch charakterlich immer Helga geblieben?

Ja. Aber Helga ist in vielen Dingen auch wahnsinnig nah an mir selbst dran. Sie ist zwar eine heroinabhängige Mutter, aber die inneren Charakterzügen kenne ich gut. Es waren Kleinigkeiten, die ich in der Zeit beibehalten habe. Zum Beispiel hat Helga einen weniger festen Händedruck. Ich stelle mich außerdem gerne zu einer Gruppe dazu, während Helga lieber alleine stehen bleibt und raucht.

Denkst du, dass die Liebe einer Mutter zu ihrem Kind anders ist, wenn sie Heroin nimmt?

Ich glaube nicht, dass die Liebe anders ist. Aber ich glaube, dass die Beziehung einer Drogenabhängigen zu ihrem Kind sehr stark von Schuldgefühlen geprägt ist. Das hat ein bisschen mit dieser Annahme zu tun, dass die Liebe wohl nicht groß genug sei, um mit den Drogen aufzuhören.

Konntest du diese Schuldgefühle selbst spüren?

Ja, ich habe das bei meinen Recherchen intensiv erlebt und das war dann sogar das Grundgefühl, auf das ich mich konzentriert habe. Da kämpfen zwei Mächte gegeneinander: Die Sucht nach Drogen und die Liebe zum Kind. Immer, wenn die Sucht stärker ist, schämt man sich ganz wahnsinnig, weil man sozusagen zu schwach ist und seine Versprechen nicht halten kann. Dieses ständige Kämpfen ist sehr anstrengend.

Wie hast du für die Rolle recherchiert?

Im Vorfeld habe ich sehr viel gelesen und mich bei Ärzten informiert, um auch den körperlichen Effekt spielen zu können. Ich wollte wissen: Wann habe ich eher einen hohen und wann einen niedrigen Puls? Was passiert mit dem Körper in dem Moment, wo ich drücke? Was passiert, wenn ich zehn Minuten drauf bin und was beim Entzug? Außerdem war ich bei Drogenberatungsstellen und habe mir von Ex-Junkies viel erzählen lassen. Mit diesem Basiswissen bin ich dann einfach in die Szene gegangen.

Du hast also einfach irgendwelche Menschen angesprochen?

Im Grunde genommen: Ja. Ich bin zum Beispiel zum Salzburger Hauptbahnhof gegangen. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich schon, dass man viel Süßes braucht, wenn man junkt, also habe ich Brownies und süßen Kaffee gekauft. Dann bin ich zu den Leuten hin und habe gesagt: „Hey, ich weiß nicht ob ihr das jetzt total bescheuert findet, aber ich bin Schauspielerin und habe eine Rolle als Heroinsüchtige bekommen.
Das wird ein guter Film und nicht einer, der mit dem Zeigefinger auf die bösen Drogen zeigt. Ich habe selbst überhaupt keine Drogenerfahrung und möchte das gut spielen. Könnt ihr mir dabei helfen?“ Die meisten fanden das einen lässigen Ansatz und haben mit mir geredet, bis genug Vertrauen da war. Das ging so weit, dass mich ein paar zu ihnen nach Hause eingeladen und ihren Freunden vorgestellt haben. Irgendwann bin ich in der Szene relativ frei ein- und ausgegangen. Ich habe einige Wochen in solchen Wohngemeinschaften verbracht und viel zugeschaut. Die Leute haben mir, so blöd das klingt, ganz praktisch den Umgang mit der Droge erklärt.

Was hat dir am meisten dabei geholfen, die Sucht zu verstehen?

Etwas, das mir eine Frau erklärt hat und auch Ärzte bestätigt haben: Heroin stimuliert dasselbe Gehirnareal wie familiäre Geborgenheit. Wenn man zum Beispiel mit der Familie singend um den Weihnachtsbaum steht und sich total aufgehoben fühlt, ist das dasselbe Gefühl, das einem Heroin gibt. Jemand hat gesagt: „Wenn ich drücke weiß ich, was Liebe ist.“ Wenn man das verstanden hat, begreift man auch, warum jemand in diese Sucht hineinrutscht. Viele Menschen haben diese Gefühle in der Kindheit entweder nicht erfahren oder Schlimmes erlebt. Der Ausweg aus dieser Leere ist dann so einfach: Da ist dieser rote Knopf und wenn ich den drücke, geht’s mir mit einem Schlag gut und ich fühle mich geliebt.

Du möchtest nicht, dass Die Beste aller Welten als „Drogenfilm“ bezeichnet wird. Warum nicht?

Für Adrian war seine Kindheit keine Drogenkindheit und da wir den Film aus seiner Perspektive erzählen, ist es für mich auch kein Drogenfilm. Adrian sagt, er sei auf einem Abenteuerspielplatz aufgewachsen – mit einer Mutter, die ihn abgöttisch geliebt hat. Sie hat für ihn gekämpft wie eine Löwin und manchmal sind halt seltsame Dinge mit ihr passiert. Er hat das nicht anders gekannt und es deshalb nie in Frage gestellt. Wenn die Mama während des Monopolyspielens sieben Mal einschläft, muss man sie halt aufwecken und dann spielt sie auch wieder weiter. Er wusste ja nicht, dass andere Mamas beim Monopolyspielen nicht einschlafen.
Da es Adrians Geschichte ist, sehen wir auch nicht, wie jemand Drogen nimmt – wir sehen zwar Leute kiffen, aber es fließt nie irgendetwas in die Vene. Aus diesen Gründen ist es kein Drogenfilm, sondern eine Liebesgeschichte zwischen Mutter und Sohn. Es geht um den Kampf der Mutter, die ihr Kind liebt, und das Kind liebt zurück. Es geht darum, ob diese Liebe gewinnen wird.

Helga ist also eine sehr starke Frau. Ist es dir bei der Auswahl der Rollen wichtig, facettenreiche Charaktere zu repräsentieren?

Wäre ich Millionärin, klar, dann würde ich nur Rollen annehmen, die ganz wichtige Charaktere sind in Filmen, die ganz große Kinofilme werden. Aber das ist halt auch nicht die Berufsrealität. Ich finde es aber als Schauspielerin nicht verwerflich, alles Mögliche auszuprobieren und mir machen ganz unterschiedliche Rollen Spaß – der Kinofilm genauso wie die RTL-Serie (Magda macht das schon, Anm.).

Die Rolle der polnischen Pflegekraft in der RTL-Sitcom Magda macht das schon ist wirklich ein starker Kontrast zu Helga.

Wobei ich die Rolle nicht angenommen hätte, wenn die Serie voller platter Klischees gewesen wäre. Sebastian Andrae, unser Autor, ist ein wahnsinnig kluger Mensch, Vorstand im Verband der deutschen Drehbuchvereinigung und ein sehr feiner Schreiber. Nichtsdestotrotz war es mir wichtig, nicht Slapstick mit ein paar Sätzen dazwischen zu spielen, sondern einen echten Menschen mit echten Gefühlen. Neben der Comedy gibt’s bei Magda ernste Szenen und Dialoge – zum Beispiel, wenn sie mit ihrem syrischen Freund im Bus sitzt und beide Angst davor haben, ihre Jobs zu verlieren.

Hattest du selbst Einfluss auf die Darstellung der Magda?

Ja, ich war sehr frei. Mir war es zum Beispiel wichtig, dass Magda so aussieht wie sie aussieht und sich so anzieht wie sie sich anzieht. Viele sagen: „RTL hat das sicher so geplant – hübsch und tiefes Dekolleté!“ Das stimmt so nicht. Das ist zu einem großen Teil auf meinem Mist gewachsen. Beim ersten Casting waren zwanzig oder dreißig Mädels dabei und da waren alle Typen vertreten. Da waren Frauen, die zehn Jahre älter waren als ich oder sieben Jahre jünger, da waren festere Frauen und natürlich Polinnen. Die Vorgabe beim Casting war, in einem Look zu kommen, in dem man sich Magda vorstellt. Ich hatte außer einem Overall und einer Jogginghose keine Klamotten in der Stadt und habe meine kleine Schwester gebeten, mir etwas zu leihen. Sie hatte ein rosa Sommerkleid und Sandaletten mit Absatz, die habe ich mit weißen Socken kombiniert und bin damit zum Casting. Das hat einfach gut gepasst und deshalb haben wir es so belassen. Was mir wichtig war: Magda zieht sich sexy und ein bisschen verrückt an, weil ihr das so gefällt. Sie mag nun mal High Heels und Glitzer und käme gar nichtauf die Idee, etwas Praktischeres anzuziehen. Das finde ich spannend an dieser Frauenfigur. Im deutschen Fernsehen sind die Frauen meistens für einen Mann sexy oder weil sie in einem gewissen Metier arbeiten. Aber wenn eine sich wirklich mies und sexy anzieht und sagt: „Entschuldigung, mir gefällt das!“, finde ich das cool.

Die Serie kam so gut an, dass RTL eine zweite Staffel bestätigt hat. Nebenbei wurde Die Beste aller Welten auf der Berlinale mit dem Kompass-Perspektive-Preis ausgezeichnet und auf der Diagonale hast du den Schauspielpreis erhalten. Worin besteht Erfolg für dich persönlich?

Für mich fängt Erfolg damit an, die Möglichkeit zu bekommen, zu spielen, und den Luxus zu haben, auch abzulehnen. Ich will Rollen spielen, die mich begeistern. Diesen Luxus musste ich mir künstlerisch und wirtschaftlich erarbeiten. Ein bisschen Poker ist aber immer dabei… Ich versuche eine Welle zu reiten, bis sie abebbt, und dann kommt hoffentlich die nächste Welle.

Kannst du auf so einer beflügelnden Erfolgswelle lange reiten?

Ich bin eine sehr strenge Selbstkritikerin. Die Euphorie-Welle hält bei mir immer nur kurz an und ich mache mir relativ viele Gedanken. Ich versuche aber, gut damit umzugehen und mir nicht allzu viel Druck zu machen. Ich habe gelernt, dass gute Rollen oft gerade dann kommen, wenn ich sehr offen und ungestresst bin.

Also wärst du gerne weniger selbstkritisch?

Ja. Wenn es einen Power Off-Knopf im Kopf gäbe, würde ich ihn schon ab und zu gerne drücken.

Gehen wir mal ins Gegenteil: An welchen Dingen bist du gescheitert und wie hast du drauf reagiert?

Ich habe ein tolles Jahr mit tollen Projekten hinter mir, aber das sagt nichts über das Folgejahr aus. Als Schauspielerin bekommt man nicht nur Zusagen, es sind natürlich auch immer wieder Absagen dabei. Mal tun die mehr, mal weniger weh. Wenn ich zum Beispiel nicht einmal das Drehbuch zugeschickt bekommen habe, und nur eine relativ anonyme Castingszene abliefere, tut ein Nein nicht besonders weh. Es gibt aber natürlich auch Herzensprojekte, in die ich mich sofort verliebe. Dann recherchiere ich viel und stecke ordentlich Herzblut hinein – wenn dann eine Absage kommt, habe ich daran schon ordentlich zu knapsen.

Wie ist es, ins Kino zu gehen und eine andere Frau macht den Job?

Dann sitzt man da und denkt sich: „Ohmann, das hätte ich gerne gemacht, scheiße…“ Oder ich denke: „Zum Glück ist dieser Kelch an mir vorüber gegangen…“ Aber meistens hat es ja einen ganz guten Grund, warum eine andere die Rolle bekommen hat. Da muss man einfach durch.

Vielleicht helfen solche Erfahrungen dabei, demütiger zu sein, wenn man die tollen Rollen hat.

Das auf jeden Fall! Ich glaube, dass Demut eine der Grundvoraussetzungen für diesen Beruf ist. Ich weiß es sehr zu schätzen, gute Rollen spielen zu dürfen und bin sehr, sehr dankbar. Mein ganzes Schauspielerinnendasein hat mit einem großen Scheitern angefangen und auch jetzt habe ich nicht das Gefühl, auf einer Erfolgswelle zu reiten sondern eher, ständig gegen dieses Scheitern anzukämpfen.

Was war das große Scheitern am Anfang?

Ich bin in einer sehr bodenständigen Familie aufgewachsen. Meine Mama war Direktorin einer Landwirtschaftlichen Fachschule und hatte einen Bauernhof, und mein Papa arbeitet bei einer Bank. Theater war bei uns kein Thema. Bis ich achtzehn war, war ich nur einmal in einem Stück… Dann bin ich nach Wien und habe beim Reinhardt Seminar vorgesprochen. Ich wusste nicht, dass man den Text auswendig können muss und habe aus einem Reclam-Heft abgelesen. Das war eine Riesenblamage und hat mich ganz furchtbar gedemütigt (lacht).

Das hat dich aber nicht davon abgehalten, deinen Traum zu verfolgen.

Klar, immer weitermachen, das ist keine Frage! Ich habe dann angefangen, Bildungslücken aufzufüllen. Ich bin ins Theater und ins Kino gegangen. Ich habe mich mit Gesang und Schauspiel-Workshops fortgebildet.

Hast du einen Trick, um dabei nicht den Mut zu verlieren?

Was mir manchmal die Angst nimmt, ist, mit meinem jüngeren Ich zu reden. Ich zeige dann der 15-jährigen Verena, was ich erreicht habe und die sagt dann: „Krass, das hätte ich dir gar nicht zugetraut!“ Ich denke dann daran, dass ich jetzt schon viel mehr habe, als ich mir damals hätte vorstellen können.

Und dann ist die jüngere Verena zufrieden?

Ja, dann findet die 15-Jährige die 29-Jährige irgendwie cool und dann ist die 29-Jährige beruhigt. Zumindest kurz.